Neue Ufer: Kohlegefeuerte Livesteam Wyko 99 6011

Es ist mal wieder viel Zeit vergangen, Berufs- und Privatleben forderten vollen Einsatz und so kam der Echtdampf und die Strecke nahezu zum Erliegen. Nahezu, aber nicht vollständig. In jeder der spärlichen freien Minuten hatte man doch irgendwie immer was an Buntmetall in der Hand. Außerdem wurde der Fuhrpark um zwei Lokomotiven erweitert. Eine davon war sehr unverhofft: Die Wyko 99 6011.

Wyko 99 6011 im halbfertigen Bauteilesatz
Wyko 99 6011 im halbfertigen Bauteilesatz
  1. Neue Ufer: Kohlegefeuerte Livesteam Wyko 99 6011
  2. Der vordere Rahmen der Wyko 99 6011
  3. Wyko Zylinder und Fahrwerk an 99 6011

Ich wollte schon lange die 99 6011 von Wyko. Diese, oder die 11sm aus dem Brohltal. Die Chancen standen für beide nicht so wirklich toll, wenn man sich auf einen zeitsparenden Bausatz oder Bauteilesatz beschränken wollte und nicht selbst konstruiert, denn von der 11sm gibt es meines Wissens nur eine Kleinserie von genau drei Maschinen und die Wyko 99 6011 wird auch nicht wesentlich höhere Stückzahlen aufweisen. Die Chance auf einen neuen Bauteilesatz sank gen 0 als ich erfuhr, dass Herr Wyrwich sich vollends der Spur 1 widmen möchte.

Durch einen glücklichen Umstand kam ich aber nun doch unverhofft an eben einen solchen Bausatz der 6011, an dem sich schon der eine oder andere auch nicht ganz mit der Materie vertraute (oder geschickte) Finger betätigt hat. Auch wenn hier noch eine andere Lok im reinen Bauteilesatz seit über einen Jahr herumliegt und aus jede Menge „Restmaterial“ noch ein g’scheiter D-Kuppler gebaut werden will, musste ich zuschlagen und ihr bautechnisch den Vorzug geben. Sie soll noch vor dem Winter fahren.

Warum ausgerechnet die 99 6011?

  • Exotenbonus
    Andere Harzloks gibt es im Modell wie Sand am Meer, auch im Echtdampf Bereich. Von den beiden schwersten Mallets, eben der 6011 und 6012 hört und sieht man jedoch wenig. Lediglich im Buch von Otto O. Kurbjuweit, Harzer Schmalspur-Spezialitäten, wird den beiden „Bellos“ der ehemaligen NWE auf 9 Seiten mit Bildern, Beschreibungen und Zeichnungen nennenswert ein Denkmal gesetzt. Außerdem ist das Konzept einer echten Mallet mit ihren kurzen Radständen, gepaart mit Vor- und Nachlaufachse auf Schmalspur einmalig (aus gutem Grund, aber das ist eine andere Geschichte).
  • Mallet
    Ich wollte schon immer eine Mallet haben, die üblichen Verdächtigen im Echtdampfbereich sagten mir aber irgendwie nicht zu, oder ich habe mich schon zu sehr an den Anblick gewöhnt. Hätte das mit der 6011 nicht funktioniert, über kurz oder lang hätte ich wohl selbst eine konstruiert (eher lang als kurz). Außerdem führe ich mit der Mallet die Bestrebungen meiner Vorfahren auf der Strecke fort bzw. gedenke dieses Vorhaben zu vollenden.
  • Anderer Hersteller
    Ich bin neugierig darauf wie die unterschiedlichen Livesteam Hersteller konstruieren (oder überraschenderweise identisch) und eine Wyko Lok stand hier bis dato noch nicht auf den Gleisen. Abgesehen von der 99 5001, die auch mal im Programm von Wyko war, gibt es auf einer R3 Gartenbahn sonst auch nicht viel Möglichkeiten mit Wyko.
  • Platz für Individuelles
    Wie schon bei der Echtdampflok Müngsten suchte ich etwas, an dem ich selbst noch Hand anlegen kann; ich mir meine Lok zusammenbauen kann. Irgendwie habe ich auch ein Faible für Borsig Loks, was dem Umstand, dass ich ohnehin keine Nieten zähle, gleich doppelt entgegenkommt. Was die 99 6011 betrifft, so ist diese seitens Wyko durchaus vorbildgerecht umgesetzt, im Original aber eben schon recht klobig und spartanisch zugleich.
  • Geschichte
    Die 99 6011 hat im Laufe ihrer Betriebsjahre zahlreiche Umbauten erfahren, sodass sie auf praktisch keinem der wenigen verfügbaren Bilder aussieht, wie auf einem anderen. Die eigenwilligen Umsetzungen im Original reichen bis hin zu fest installierten Seilzugwinden auf der Pufferbohle, um eine schnelle Wiederaufgleisung zu ermöglichen, wenn mal wieder die Vorlaufachse aus dem Gleis springt. Das macht sie mir sehr sympathisch.

Der löbliche Lieferumgang: vollständig mit Bonus

Viele Stunden, so schwante mir, würde ich wohl damit verbringen müssen herauszufinden, was einem der Künstler mit Bauteil X oder Y sagen möchte, doch Wyko machte hier im besten Sinne einen Strich durch die Rechnung. Die gesamte Maschine, von den bereits fertig bearbeiteten Zylindern und dem Fahrwerk sowie dem Kessel mal abgesehen, wird mit Bauplänen, also analogen technischen Zeichnungen geliefert, die als hochaufgelöste Version auf CD beiliegen.

Wyko 99 6011 Baupläne im Lieferumfang

Wyko 99 6011 Baupläne digital im Lieferumfang

Abgerundet wird der digitale Lieferumfang mit einigen Detailaufnahmen einer fertigen 99 6011, sodass man spätestens hier bildlich nahezu alle Fragen beantwortet bekommt. Top! Wünschenswert wäre allerdings noch ein Bild von unten gewesen oder mit abgenommenem Umlaufblech, denn da gibt es schon die eine oder andere Frage, aber dazu im Laufe der Artikelserie mehr. Gerade für Einsteiger wäre so ein CD Beileger (oder mittlerweile wohl eher ein digitaler Downloadcode) mit Bildern schon ausreichend, aber direkt sämtliche Pläne zu erhalten spart mir eine Menge Zeit, denn das eine und andere Bauteil ist von einem der Vorgänger doch leider verhunzt worden und muss neu gemacht werden.

Weniger erfreulich ist hingegen, dass die Beschreibungstexte mit „spärlich“ noch wohlwollend formuliert wären. Die Bauanleitung mit allgemeinen Hinweisen ist nicht mehr als eine DIN-A4 Seite mit allgemeinen Erklärungen. Eine weitere PDF informiert auf 5 Seiten über die Montage von Rädern, Zylindern und Einstellung der Steuerung. Eindeutig richtet sich dieser Bausatz nicht an Anfänger. Vieles erschließt sich, manches kann man erahnen, das meiste muss man aber wissen. So ein Bauteilesatz ist eben das von der Maschine gefallene Material zur weiteren Bearbeitung. Eingehende Kenntnisse sowohl von der Dampflok selbst, als auch von Fertigungsverfahren werden vorausgesetzt. Dann aber darf man sich über passgenaue Werkstücke einer durchdachten Konstruktion freuen.

99 6011 – Gas- oder Kohlelok?

Ich mag die Gasfeuerung und hätte auch die 99 6011 als Gaslok bevorzugt – man wird ja nicht jünger und unsere Strecke verläuft zu 95% am Boden. Da man aber nimmt was man kriegt, ist es dann doch eine kohlegefeuerte Version geworden. Allerdings wirft der Kessel hier einige Fragen auf (eine E-Mail an Wyko blieb leider unbeantwortet :/), da er dem Anschein nach wohl mal ein Gaskessel werden sollte oder irgendeinen Hybriden darstellt:

Wyko Kohlekessel der 99 6011

Wyko Kohlekessel der 99 6011

    1. Anders als gewohnt kommt der Kessel nämlich nur mit einem einzigen, dafür 24mm groß dimensionierten Rauchrohr aus, in das man auch über die Feuertür problemlos einen langen Düsenstock einführen könnte – als wäre es dafür gemacht. Natürlich geht zudem durch das einzelne Rauchrohr verglichen mit der sonst üblichen Durchführung mehrerer kleiner Rohre jede Menge Heizfläche verloren.
    2. Auch die Durchleitung des Überhitzers einfach über das offene Feuer in der Feuerbüchse durch das Rauchrohr wirft bei mir Fragen der Langlebigkeit auf.
    3. Zudem ist die Feuerbüchse ist anders als ich es erwartet hätte. „Halbtrocken“ würde ich sie mal bezeichnen.

Ob das Rauchrohr zur Kompensation noch CU-Spikes im Kesselinneren hat, kann ich aus naheliegenden Gründen nicht sagen. Natürlich gibt es wie üblich einige Quersiederohre im vorderen Bereich. Auf der Suche nach Bildern zur Ideengebung zur eigenen Gestaltung der Lok fand ich zufällig einen alten Beitrag von Ralph Reppingen im Buntbahnforum bei der Vorstellung zu seiner ersten Serie der HSB Mallet 99 590x (beneidenswert perfektes Modell) aus dem Jahr 2003:

Am Wochenende wird die Maschine ausgiebig probegefahren, für den Kohlekessel wird es als Option auch eine Gasbrenner geben mit dem die Maschine auch ohne Kohlenstaub und Ruß fast stubenrein betrieben werden kann.

Ralph Reppingen – buntbahn Forum zu seiner Harzmallet

Das klingt schon auffällig nach der Kesselart, die mir hier nun mit der 99 6011 auch vorliegt. Die wenigen Beschreibungen seitens Wyko schweigen sich komplett zu einer „Hybrid-Befeuerung“ aus, aber das war mein erster Gedanke, als ich das Rauchrohr sah. Es drängte sich praktisch auf.

Und wo wir schon bei Reppingen sind: Der Kessel ist an Hitze aufnehmenden und abgebenden Teilen, also der Feuerbüchse sowie dem Rauchrohr, mit Kupfer ausgeführt. Der Kesselmantel hingegen ist aus Messing. Mit zwei Kesselringen wird der Innenkessel luftabschlüssig im Außenkessel gehalten, was ja besonders für die Kohlefeuerung bzw. den notwendigen Unterdruck in der Rauchkammer notwendig ist.

Ich habe mich entschieden die Lok allen Fragezeichen zum Trotz erstmal als Kohlelok aufzubauen, so wie es der Konstrukteur sich gedacht hat. Sollte sich zeigen dass der Kessel durchaus leistungsfähig und haltbar ist, umso besser. Sonst wird es später halt doch eine weitere Gaslok – Platz genug für einen Gastank bietet der linke Wasserkasten mit 230mm Länge ja durchaus und da dann der Weg zur Feuerbüchse nicht mehr frei bleiben muss, ergäben sich auch ungeahnte Platzreserven im 25 x 103 x 47 mm geräumigen Tender.

Die Konstruktion der 99 6011

Exakt ist wohl das passendste Wort für den mir vorliegenden Bauteilesatz. Die einzelnen Bauteile passen exakt auf- und ineinander und verhöhnt ein wenig das in diesem Bereich von Regner so etablierte „passen und fügen“ von Bauteilen, wenngleich ich dem „rumdengeln“ bis es passt durchaus etwas abgewinnen kann. Natürlich ist das bei Regner, mal abgesehen davon dass wir nun auch nicht mehr 2001 haben, auch dem Umstand geschuldet ist, dass bei Regner die Teile wenigstens durch Lackieren schon nachbearbeitet sind und so an Maßhaltigkeit einbüßen. Dennoch: Nichts muss hier am Bauteilesatz wirklich gefügt werden, es fügt sich sozusagen von alleine. Die einzelnen Gehäuseteile kommen mit einem Zapfensystem und sind so einfach ineinander zu stellen und zu Löten. Ein wenig auf Maßhaltigkeit und Rechtwinkligkeit muss man natürlich selbst noch achten.

Überhaupt ist auffällig dass am Bausatz vergleichsweise viel mit reinen Lötverbindungen gearbeitet wird, was die ganze Sache bedeutend feiner wirken lässt im Aufbau. 4 oder gar 5mm Messingprofile zur Verbindung zweier Bleche im rechten Winkel sucht man vergeblich, Winkelprofile sind auch nur dort anzutreffen, wo es auch wirklich sinnvoll ist. An den Fahrwerken schlackert nichts und alle Lager sind aus DU® oder Teflon®. Aus Spass an der Freude werde ich die Federstifte der Vor- und Nachläufer sowie die Kupplung von vorderem zu hinterem Fahrwerk mit iglidur® (igus) Lagern nachrüsten, dann habe ich die heilige Dreifaltigkeit an ölfreien Lagern an der Maschine alle verbaut.

Es wird noch einiges an Profilen und Halbzeug mitgeliefert und kann sich darauf verlassen dass, wenn man nach Konstruktion fertigt, man nicht hinterher irgendein Loch doch wieder noch auffeilen muss oder ähnliches. Das freut den Pedanten in mir.

Weniger gefällt mir, dass die LGB Kupplung an einer Lasche des 1mm Blechs der vorderen und hinteren Pufferbohle sitzt. Das scheint mir nicht für hohe Belastungen ausgelegt und ein Verbiegen vorprogrammiert. Auch der Betriebsunfall beim Rangieren im Bahnhof und unbeabsichtigtem Auffahren sollte hier nicht vergessen werden. Statt dass die Lok dann nach hinten verschoben wird, dürfte die meiste kinetische Energie wohl an der Pufferbohle bleiben und den LGB Flaschenöffner nach unten wegbiegen. Hier werde ich auf jeden Fall verstärken. Dass eine so bullige Lok ausgerechnet dort einspart, finde ich schon merkwürdig – aber es soll ja auch sündhaft teure Hersteller von Premium-Waggons geben, die ihre Kupplungen gar ankleben…

Es beginnt

Nach einiger Zeit der Konzeptionierung ist der Aufbau bereits in vollem Gange, wie gesagt soll die Lok noch vor dem Winter laufen. Im ersten Schritt habe ich mich dem vorderen Fahrwerk angenommen. Bereits hier begann die Nach- und Neuarbeitung, also das Ausbessern am Objekt. Dramatisches war hier jedoch nicht zu erwarten, es konnte auch noch ohne Entlöten existierender Verbindungen gearbeitet werden. Da vor allem die vordere Pufferbohle im Original ziemlich nackt daher kommt, wurde bereits hier der individuelle Aufbau der Lok begonnen, der mit dem Original nur noch in Teilen etwas zu tun haben wird. Mehr dazu im nächsten Teil.

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3 Kommentare

  • Friedrich klöpfel schrieb
    | » Antworten

    Hallo
    Ich habe schon etliche Wyko Loks aus
    Teilesaetzen von Herrn Wyrwich gebaut (50, 22, 23 und 41).
    Herr Wyrwich ist immer sehr hilfsbereit und freundlich. Er nimmt sich trotz seines Stresses für jedes meines Anliegens zeit.

    • Hallo Friedrich,

      ich habe die Lok ja von Privat übernommen und konnte sie nicht direkt bei Wyko kaufen, insofern kann ich natürlich
      zu seinem Kundenkontakt wenig beitragen.
      Deshalb danke ich Dir für die Ergänzung, das freut mich zu hören!
      Es ist ein großer Gewinn wenn man einen Hersteller „vor Ort“ hat, der auch nach dem Kauf mit Rat und Tat zur Seite steht.

      Schöne Grüße aus dem Bergischen,
      Armin

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